Monatsandachten

Andacht Oktober 2024

Unüberbrückbar?

Jakob am Jabbok (1. Mose 32, 23-32)


Ach, Jakob! Wer bist Du?

Dein Name sagt, Du bist ein Betrüger. Einer, der sich schon bei der Geburt vordrängeln will und deshalb seinen Zwillingsbruder an der Ferse festhält.

Später bestätigen Deine (Un-)Taten Deinen schlechten Ruf. Als Schlitzohr luchst Du Deinem hungrigen Bruder in einem schwachen Moment die Rechte des Erstgeborenen ab – für ein Linsengericht (die orientalische Variante von „fürꞌn Appel und ꞌn Ei“). Als Lügner nutzt Du die Blindheit und Gutgläubigkeit Deines alternden Vaters aus, um Dir unter den Nagel zu reißen, was von Rechts wegen dem großen Bruder zusteht.

Und seitdem bist Du auf der Flucht, musst auslöffeln, was Du Dir eingebrockt hast. Dir wird übel mitgespielt, vom eigenen Onkel. So wie Du anderen übel mitgespielt hast. Aber Du lässt Dir die Butter nicht vom Brot nehmen, hast einen langen Atem. Und wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Zum Mann bist Du geworden in diesen 20 Jahren auf der Flucht und in der Fremde. Unanständig reich könnte man Dich nennen. Zwei Frauen hast Du und zwei Nebenfrauen und elf Söhne. Irgendwie sieht’s aus, als wären Dein Name und Deine (Un-)Taten nicht alles, was es über Dich zu sagen gibt. Irgendwie bist Du auch ein Gesegneter. Ein Lieblingskind. Nicht nur von Deiner Mutter. Sondern ebenso von Gott.

Ach, Jakob! Wer bist Du? Wie passt das alles zusammen, was es über Dich zu sagen gibt?

Wahrscheinlich weißt Du es selbst nicht. Jedenfalls nicht in dieser Nacht. Wieder bist Du auf der Flucht. Dieses Mal in Gegenrichtung. Weg von Deinem Onkel, dem Bruder Deiner Mutter. Zurück in die alte Heimat. Falls es die noch gibt. Deine Eltern werden wohl kaum noch leben. Aber Dein Bruder, dem Du damals so übel mitgespielt hast.

Und jetzt stehst Du hier in dunkler Nacht, an einem Fluss, über den es keine Brücke gibt. Wie im echten Leben. Alle Brücken abgebrochen. Und ob die Himmelsleiter noch da ist, Gottes Brücke zu Dir? Wer kann das schon wissen. Wer kann wissen, ob da noch Zukunft ist und Hoffnung? Nach allem, was war. Ja, die Zweifel nagen mehr denn je. Sorgen drücken Dich. Böse Erinnerungen lasten auf Dir. Das schlechte Gewissen quält, und Angst frisst Deine Seele auf. Unüberbrückbar scheinen die Abgründe.

Ach, Jakob, wer bist Du? Was hast Du aus Deinem Leben gemacht?

In dunkler Nacht, an einem Fluss, über den es keine Brücke gibt, bricht es über Dich herein. Du ringst mit Dir, mit Deinen Fragen, mit Deiner Schuld. Und in all dem ringst Du mit Gott und Gott mit Dir. Weißt Du das?

Wahrscheinlich weißt Du es. Tief drinnen, im Grunde Deines Herzens. Sonst wärst Du nicht so hartnäckig. Sonst würdest Du nicht nach Segen schreien.

Dein Gott ist auch hartnäckig. Er lässt Dich nicht los. Aber er lässt Dich frei. Gesegnet und mit neuem Namen findest Du Deinen Weg über den Fluss. Gott baut Dir eine Brücke in die Zukunft, und Du baust eine Brücke zu Deinem Bruder. Zwar hinkst Du neuerdings, denn spurlos geht das Leben an niemandem vorüber, auch nicht an Lieblingskindern. Aber Dein Weg führt in den Sonnenaufgang. Das hat Gott aus Deinem Leben gemacht. Allein aus Gnade.

Ortrun Hillebrand
(in: Evangelische Frauenhilfe im Rheinland (Hrsg.), überBRÜCKEN. Andachten 2024. 24 Andachten durch das Kirchenjahr)

 

Gebet

Du Gott Jakobs – und auch mein Gott!

Nicht meine Leistung ist entscheidend,
und mein Versagen wird nicht das letzte Wort behalten,
sondern Deine Gnade genügt.

Ich muss nicht kämpfen bis zum Umfallen,
und nicht das Letzte aus allem rausholen,
sondern Deinen Segen gibst Du gratis.

Der Abgrund verschlingt mich nicht,
und der Weg bricht nicht ab,
sondern Du baust eine Brücke
und gibst mir neuen Boden unter die Füße.

Das Leben hinterlässt Spuren.
Aber am Ende laufe ich nicht in Nacht und Dunkelheit,
sondern in die aufgehende Sonne.

Vielleicht ist das alles kein Spaziergang,
aber ich gehe meinen Weg,
denn Du hast Zukunft und Hoffnung für mich.

So wirkst Du Wunder.
Schon immer.
Bei Jakob.
Und bei mir auch.

Ich staune.
Und will nicht aufhören,
Dir danke zu sagen,
Du Gott Jakobs – und auch mein Gott!
Amen.


Liedvorschläge

Gott wohnt in einem Lichte (EG 379)
In dir ist mein Leben (Das Liederbuch, Lieder zwischen Himmel und Erde Nr. 183)

 

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