„Ihr wisst, dass in zwei Tagen das Passafest beginnt. Dann wird der Menschensohn verraten und gekreuzigt werden.“ Etwa um die gleiche Zeit versammelten sich die führenden Priester und die Ältesten des jüdischen Volkes im Palast des Hohepriesters Kajafas und berieten miteinander, zu welcher List sie greifen könnten, um Jesus festzunehmen und dann umzubringen. „Auf keinen Fall darf es während des Festes geschehen“, sagten sie, „sonst gibt es einen Aufruhr im Volk.“ (Matthäus 26, 2-5 Neue Genfer Übersetzung)
Erst bestürmt, dann gemieden. Erst bejubelt, dann verleugnet. Erst ersehnt, dann verachtet. Erst geglaubt, dann verspottet.
Lange hatte es nicht gedauert, bis sich Jesus aus Nazareth einen Ruf erworben hatte. Die Massen waren ihm gefolgt, entgegengeeilt. Hatten große Hoffnungen in ihn gesetzt, sich heilen lassen, sich weisen lassen. Es hatte nicht lange gedauert, bis sein Ruf auch bei den führenden Gelehrten im Tempel ankam. Und die waren verunsichert. Sie stellten ihn auf die Probe, verwickelten Jesus in theologische Gespräche, prüften seine Gesetzestreue und wussten nicht so recht, was sie von ihm halten sollten. Doch dann wurde er den Gesetzeshütern gefährlich, hatte sich als König huldigen lassen und im Tempel einen Tumult unter den Händlern ausgelöst. Dazu maßte er sich an, das Wort der Schrift wahrheitsgetreu auszulegen, wusste es besser als die Tempelgelehrten selbst und schickte sich an, die geltende Ordnung auf den Kopf zu stellen.
Niemand wollte, dass ein Aufstand losbrach. Schon gar nicht die Gesetzeshüter in Jerusalem. Was konnte man tun? Das oberste jüdische Gericht konnte Jesus aus Nazareth vorladen und gegebenenfalls bestrafen; nicht aber mit dem Tod. Es musste schon ein Weg gefunden werden, Jesus ganz loszuwerden. Die Ereignisse überschlagen sich. Zum Passahfest wird der Unruhestifter festgenommen. Auch das Volk wendet sich gegen Jesus, der zwar wie ein König empfangen wurde, aber kein Königreich in Jerusalem aufrichten will. Das Volk wendet sich gegen Jesus, der vom Reich Gottes spricht, es aber nicht aufrichtet, sondern davon spricht, dass es hier und da aufblitzt und wachsen muss. Wie enttäuschend. Die Geschichte gerät aus den Fugen, und am Ende steht für Jesus ein Kreuz auf Golgatha und er stirbt als Hochverräter.
Nicht erst seit heute stehen Menschen Gott feindselig gegenüber. Sie wollen die neue Lehre nicht, sie halten sich die Ohren zu und wenden sich von Jesus ab. Er ist anstrengend, dieser Jesus mit seiner Aufforderung zur Nächstenliebe und dann auch noch zur Feindesliebe. Er ist herausfordernd, wenn er mir aufträgt, mein Hab und Gut zu veräußern, um ihm folgen zu können. Er ist mir zu viel, wenn er mich anleitet, die sieben Werke der Barmherzigkeit nicht nur zu predigen, sondern auch zu tun. Christsein ist anspruchsvoll. Manchmal zu anspruchsvoll. Vielleicht wendet sich dann auch mein Glaubensblatt. Ich nehme gerne an, dass Jesus mir die Last von den Schultern genommen hat und ich versöhnt Gott gegenübertreten darf; nehme auch gerne an, dass ich ein geliebtes Kind Gottes bin und mein Ziel in seiner Herrlichkeit habe. Schön ist auch zu hören, dass ich mich jederzeit an ihn wenden kann und dass das Kreuz auch mein Leben heilt.
Doch ganz im Glauben zu bleiben, ist so schwer. Ich muss aushalten, dass ich mit meinem Glauben in der Gegenwart alleine bin; muss akzeptieren, dass es nicht schnell mit dem Reich Gottes geht und dass Geduld die Mutter eines jeden Gemeindeaufbaus ist. Ich muss anerkennen, dass Gott den Zeitrahmen festlegt, wann und wie sein Wille geschieht, und ich nicht nachhelfen kann.
Geduld und Glaubenstreue sind gefragt, wenn es um unsere Gemeinden oder um unser persönliches Schicksal geht. Und das Vertrauen, dass alleine Gott das Blatt wenden kann in unseren Gemeinden und in unserem Leben wie damals in Jerusalem, als über den Tod das Leben siegte, weil Gottes Wille geschah.
Jutta Grashof
(in: Evangelische Frauenhilfe im Rheinland (Hrsg.), Andachten 2023. Zeitenwende(n). 24 Andachten durch das Kirchenjahr 2022 / 2023)
Gott, schenke uns die Gewissheit, dass dein Wille geschieht,
schenke uns das Vertrauen, dass du da bist, wo Finsternis herrscht,
schenke uns Zuversicht, dass du auf unseren Wegen mitgehst,
schenke uns den Glauben, dass dein Reich mitten unter uns wächst,
schenke uns die Hoffnung, dass das Leben siegt.
Amen.
Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt (EG 98)