Andacht zum Advent

Welchem Stern wollen wir folgen?

Wir sind auf dem Weg Richtung Weihnachten und man merkt es überall.
Die Städte werden voller, Samstag ab 11 Uhr sind die Parkhäuser voll. Die Schlange im Postamt wird jeden Tag länger und die Einkaufswagen im Supermarkt sind auch noch voller mit Leckereien als sonst und nie im Jahr finde ich, sind so viele unkonzentrierte Autofahrer auf der Straße, wir hier natürlich alle ausgenommen. Gespräche gehen über Essen, Einladungen, Familien und Familienstreitigkeiten, wer mit wem und wer mit wem nicht kann und wen man sehen will und wen nicht. Einladungen werden ausgesprochen, Weihnachtsfeiern besucht, so wie diese, und die Spannung steigt. Manche freuen sich auf ein paar ruhige Tage, manche haben Angst vor den Gefühlen, andere wissen, dass sie arbeiten müssen und richten sich darauf ein. Wir sind unterwegs Richtung Weihnachten.

Auch vor 2000 Jahren waren Leute unterwegs Richtung Weihnachten, bzw. in die Richtung des Ereignisses, von dem alles ausging. Hören sie deren Geschichte:

Matthäus 2, 1-12
1 Da Jesus geboren war zu Bethlehem in Judäa zur Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem Morgenland nach Jerusalem und sprachen: 2 Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten. 3 Als das der König Herodes hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem, 4 und er ließ zusammenkommen alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen, wo der Christus geboren werden sollte. 5 Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben durch den Propheten: 6 »Und du, Bethlehem im Lande Juda, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir wird kommen der Fürst, der mein Volk Israel weiden soll.« 7 Da rief Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, 8 und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr’s findet, so sagt mir’s wieder, dass auch ich komme und es anbete. 9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. 10 Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut 11 und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. 12 Und da ihnen im Traum befohlen wurde, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem andern Weg wieder in ihr Land.

Da haben Männer, fern von Jerusalem und Bethlehem einen Stern am Himmel entdeckt und folgen ihm. Es wird nicht beschrieben, wie sie darauf kommen, dass dieser Stern etwas besonderes ist, sie sind Sterndeuter aus dem Morgenland, also Astronomen, sie kennen die alten Schriften, in denen erzählt worden ist von dem einem Stern, der auf den Messias, den Retter der Welt, den Erlöser hinweist. Und als sie glauben, dass eins und eins zusammenpasst, also ein besonderer Stern mit den alten Erzählungen, ziehen sie los. Sie folgen ihrer Sehnsucht, ihrer Sehnsucht nach Erlösung und dem einen, der der König der Welt sein soll.

Welchem Stern würden wir heute folgen? Nach welchen Sternen suchen wir, worauf ist unsere Sehnsucht gerichtet? Welche Sterne bringen uns in Bewegung?
Unsere Sehnsüchte sind vielfältig: wir wünschen uns ein zufriedenes Leben, wir wünschen uns ein gutes Auskommen, wir wünschen uns heile Familien und Gesundheit. Wir sehnen uns nach Geborgenheit und danach, dass wir keine Angst haben müssen. Wir sehnen uns nach der Gewissheit, dass wir in dieser Welt nicht untergehen. Wir sehnen uns nach Frieden mit den anderen um uns herum und dass wir es mit ihnen gut aushalten, und dass wir es uns mit uns selbst aushalten, wenigstens das. Dass wir unsere eigenen Unzulänglichkeiten nicht so spüren, sondern unsere Möglichkeiten und unsere Grenzen akzeptieren. Wir sehnen uns danach, dass unsere zerbrochenen Träume und unser Versagen aufgehoben werden, dass wir getröstet werden.

Und wir suchen nach den Sternen, die uns den Weg weisen, wie wir unsere Sehnsüchte erfüllt bekommen. Die Sterne unserer Gegenwart, denen wir folgen können, tragen viele Namen: Erfolg, Reichtum, die Beste sein, der Stern des immer Recht haben wollens und der Stern des Konsums. Es gibt viele Angebote, die uns erzählen, dass sie unsere Sehnsüchte befriedigen wollen. Und das sind übrigens nicht nur dieses Sterne, die so offensichtlich uns verführen wollen, mit oberflächlichen Versprechungen. Unser gesunder Menschenverstand und unsere Lebenserfahrung wissen ja, dass unsere Sehnsüchte weder von Geld noch von Erfolg gestillt werden. Also gucken wir nach anderen Sternen: Arbeit, Beziehung, Kinder – irgendwie und irgendwann muss ich doch mal ankommen.

Uns leuchten viele Sterne mit vielen Möglichkeiten, viele Versprechungen schaffen es, dass wir uns wirklich anstrengen und weite Wege auf uns nehmen. Doch was erreicht uns wirklich und erfüllt unsere Sehnsucht?

Die Sterndeuter folgen dem Stern bis nach Bethlehem und sie finden das Kind. Der Mensch, der der König sein soll, der uns frei machen soll von allem Betrug und Selbstbetrug, der Frieden bringen soll, Frieden mit uns selbst und mit der Welt liegt da bei seiner Mutter als Kind.
Der Stern hat nicht in einen Palast geführt und nicht zu einem Menschen, der was hermacht und was darstellt.

Das besondere an so einem kleinen Kind ist zum einen, dass sie unmittelbar reagieren. So ein Baby lässt sich nicht vom Bankkonto, nicht von der Leistung, nicht von gutem Aussehen beeindrucken, sondern nimmt das wahr, was unmittelbar ist. Bei Gott werden wir so gesehen, wie wir sind, die Maske können wir fallen lassen, Lachen und Weinen haben Raum, es zählt nur, dass wir da sind, dass wir einfach so sind, wie wir sind.
Zum anderen macht so ein Kind etwas mit uns. In den meisten Fällen, wenn wir so ein Neugeborenes sehen, macht es uns staunen, freuen wir uns über das Leben und wie großartig perfekt so ein kleines Menschlein ist – es macht uns staunen und dankbar.

Das bietet der Stern, dem die Sterndeuter aus dem Morgenland folgen:
Bei Gott zählt nicht Ansehen noch Leistung, sondern wir können kommen, wie wir sind.
Bei Gott können wir staunen lernen, staunen über das Leben als solches und dass es uns gibt, jeder einzelne ein Einzelstück – niemand anderes auf dieser Welt ist so wie sie.
Wer dem Stern Gottes folgt, der wird dankbar werden – und Dankbarkeit führt dazu, dass man fünf gerade sein lassen kann, dass man nicht mehr glauben muss, nur die eigene Meinung ist richtig. Wer an Weihnachten dankbar sein kann, der kann gelassen diese Tage genießen ohne große Dramen und Anstrengungen. Probieren sie es einmal! Folgen sie einfach dem Stern Gottes!

Und es ist die Frage, die Weihnachten an uns stellt, auch in der Zeit danach: Welchem Stern folgen wir in diesen Tagen, welchem Stern folgen wir in unserem Leben? Amen!

Dagmar Müller
Leitende Pfarrerin der Evangelischen Frauen im Rheinland e.V.

 

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