Telefonandacht zu zweit

Die Kunst des Staunens

In den letzten Wochen und Monaten wurde viel telefoniert, um untereinander im Kontakt zu halten, um voneinander zu erfahren und miteinander Freude und Leid zu teilen. Das macht Frauenhilfe aus und stärkt unsere Gemeinschaft. Das Tragende unserer Gemeinschaft ist jedoch die Gewissheit, im Glauben miteinander verbunden zu sein. Jesus sagt „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.“
Wir möchten Sie daher einladen, zu zweit am Telefon eine Andacht zu feiern. Rufen Sie jemand an, probieren Sie es aus. Es kann eine wohltuende und stärkende Erfahrung sein.

Material: Klangschale oder Glocke, Kerze, Streichhölzer, Kreuz und Bibel
Vorbereitung: Vereinbaren Sie einen konkreten Termin für eine Telefonandacht zu zweit. Stellen Sie sicher, dass beide den Text vorliegen haben, und klären Sie vorher, wer welche Texte liest.


ABLAUF
Zu Beginn der Andacht ertönt ein Klangzeichen (Klangschale oder Glocke), dann entzündet jede für sich eine Kerze als Zeichen der sichtbaren Nähe Gottes.

FRAU 1 - VOTUM
Wir sind an unterschiedlichen Orten, aber verbunden im Glauben.
Wir wollen mitten in unserem Alltag am Telefon eine Andacht feiern
und miteinander über Gottes wunderbare Schöpfung staunen.

Wir feiern die Andacht im Namen Gottes:
Gott ist die Quelle unseres Lebens,
Jesus Christus zeigt uns, wie wir miteinander leben können,
und durch die Kraft des Heiligen Geistes
öffnen sich immer wieder neue Wege zu Gott und zueinander.
GEMEINSAM: Amen.

FRAU 2 - PSALM
Gott, unendlich reich sind deine Werke. In deiner Weisheit hast du sie alle geschaffen.
Die Erde ist voll von deinen Geschöpfen. Sie alle warten auf dich.
Du gibst, und wir werden satt mit Gutem. Du verbirgst dich und wir erschrecken.
Du nimmst deinen Lebenshauch weg und wir werden wieder zu Staub.
Du hauchst uns neu an und wir stehen wieder auf zum Leben.
Du gibst der Erde ein neues Gesicht. Dein Glanz spiegelt sich in deiner Schöpfung.
Deine Freude lebe in deinen Werken.
Wenn du die Erde ansiehst, lebt sie: wenn du die Berge anrührst, rauchen sie.
Gott, ich will dir singen mein Leben lang. Dich will ich loben, so lange ich atme.
(Nach Psalm 104, Hanne Köhler, in: der gottesdienst, Liturgische Texte in gerechter Sprache)

FRAU 1 - GEBET
Guter Gott,
du bist der Schöpfer alles Lebendigen und die Quelle des Lebens.
Vor dich bringen wir alles, was uns in dieser Zeit bewegt und belastet:
unsere Ängste und Sorgen, unsere Traurigkeit.
Wir bitten dich: Sei bei uns mit deinem Geist,
leite unsere Gedanken und segne unser Zusammensein.
Schenke uns Hoffnung und Zuversicht für die kommende Zeit.
Hilf uns, das Staunen nicht zu verlernen
und lass uns immer wieder neu die Wunder im Alltag entdecken.
GEMEINSAM: Amen

FRAU 2 - DIE KUNST DES STAUNENS
Bei einem Besuch im Schmetterlingsgarten im Schloss Sayn kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Wunderschöne Schmetterlinge in vielfältigen Farben flogen umher - so schnell, dass sie sich kaum auf ein Foto bannen ließen. Wenn man sich aber ganz ruhig verhielt, konnte man beobachten, wie sie auf den bunten Blumen landeten und ihre filigran gezeichneten Flügel ausbreiteten, die so zerbrechlich und zart wirkten. Auch die Vielfalt an Pflanzen, Blumen und Vögeln ist beeindruckend und zeigt Gottes bunte Schöpfung. Staunend stehe ich immer wieder neu vor dieser wunderschönen Natur und lasse mich verzaubern.

Staunenswert ist natürlich noch so viel anderes: ein Sonnenuntergang am Meer zum Beispiel, der den Himmel in ein wunderbares Orangerot taucht, ein Feld voller Sonnenblumen oder der Blick in den Sternenhimmel ebenso wie die Weite eines Bergpanoramas. Manchmal staune ich auch über Menschen und ihre Geschichten oder über Begegnungen, die dazu führen, eine vorgefasste Meinung über jemand zu korrigieren.

„Die Seele braucht das Staunen, das immer wieder erneute Freiwerden von Gewohnheiten, Sichtweisen, Überzeugungen, die sich wie Fettschichten, die unberührbar und unempfindlich machen, um uns lagern“ schreibt Dorothee Sölle in ihrem Buch „Mystik und Widerstand“. Das Staunen darüber, dass eigentlich nichts selbstverständlich ist, beschreibt sie am Beispiel
ihres 5-jährigen Sohnes, der gerade die Zahlen lernte. Auf einer verkehrsreichen Straße in Köln blieb er einfach stehen, um die Schönheit der Hausnummer 537 zu bestaunen. Das Staunen über alles, was uns geschenkt ist, hat für Dorothee Sölle eine ganz wesentliche Bedeutung. Das Staunen treibt uns ihrer Meinung nach an, uns für das Leben zu engagieren, denn ohne dieses „Berührtwerden vom Geist des Lebens“ kann nichts Neues entstehen.

Wie schnell laufen wir Gefahr, in unserem Alltag unsere Fähigkeit zum Staunen zu verlieren. Kinder dagegen haben sich dieses Staunen bewahrt. Voller Begeisterung können sie über das Leben im Allerkleinsten staunen, über den kleinen Marienkäfer ebenso wie über die bunten Seifenblasen.
Staunen fängt damit an, dass wir genau hinschauen und mit allen Sinnen wahrnehmen: riechen, schmecken, sehen, hören, tasten. Staunen erfordert die Fähigkeit, etwas auf sich wirken zu lassen, ohne es sofort zu bewerten. Es bedeutet, Augen, Ohren und unser Herz zu öffnen für die Wunder der Schöpfung und uns berühren und begeistern zu lassen.

AUSTAUSCH – IMPULSFRAGEN

  • Worüber kann ich staunen?
  • Warum zieht mich gerade das in den Bann?
  • Was nehme ich dabei mit meinen Sinnen wahr? Kann ich etwas riechen oder schmecken? Was sehe ich, wenn ich ganz genau hinschaue? Welche Geräusche höre ich beim genauen Lauschen? Vielleicht kann ich auch etwas ertasten oder erspüren?

FRAU 1 – DANKGEBET
     Danke, Gott, für die Kleinigkeiten,
     die ich so leicht übersehe:
     Für die Luft, die ich atme
     und den frischen Wind, der mir um die Nase weht.
     Danke für die Sonne, die mir scheint,
     und die Vögel, die mit ansteckender Fröhlichkeit singen.
     Danke, Gott, für jeden einzelnen Tag
     mit seinen kleinen Freuden.
     Für das freundliche Lächeln eines Fremden
     und das ermutigende Wort im Vorübergehen.
     Danke für die vielen Kleinigkeiten,
     die mich jeden Tag spüren lassen,
     wie gut du es mit mir meinst.
     (Gabriele Schneider; in: M. Käßmann (Hg.), In Gottes Hand gehalten, Frauengebete, S. 85)

GEMEINSAM: Vater unser

Gemeinsam bitten wir um Gottes Segen:
     Alles Lebendige, Gott, ist voll mit dir.
     Du blühst in uns.
     Wir blühen mit dir auf.
     So segne uns, heute, morgen und in Ewigkeit. Amen.
     (© Zentrum Verkündigung der EKHN)

Eine gesegnete Sommerzeit und viel Freude beim Staunen wünscht Ihnen
Christine Kucharski, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
 

>> PDF-Datei der Andacht