Verwunderung, Angst, Freude. Kommen, sehen, sich mitteilen und weiterziehen – diese Gefühle, diese Bewegung prägen den Anfang der Weihnachtsgeschichte nach Lukas.
Menschen von draußen, Hirtinnen und Hirten, kommen mit einer besonderen Erfahrung zu Maria, Josef und dem Neugeborenen in den Stall.
Sie erzählen vom Glanz der Engel, der himmlischen Botschaft, dass ein Retter, ein Gesalbter Gottes geboren sei, dass sie ermutigt worden sind, keine Furcht zu haben und bei ihnen wieder neu Hoffnung auf Frieden aufkeimt. Überaus glücklich sind sie, das Neugeborene in Windeln gewickelt nun mit eigenen Augen in der Futterkrippe zu sehen.
Wer sie so reden hört, wundert sich. Ist es glaubhaft, was sie erzählen? Was sind das für Leute? Ist das nicht alles nur träumerisches Wunschdenken?
„Maria aber bewahrte alle Worte und erwog sie in ihrem Herzen.“ (Lukas 2,19 BigS)
Was Maria genau dachte, wissen wir nicht. Aber sie wird genau hingehört haben, einzelne Worte oder auch die sichtbare Erregung der Hirtinnen und Hirten haben in ihr etwas zum Schwingen gebracht. Möglicherweise hat sie ihr Herz pochen gespürt, ohne sich genau erklären zu können, was das alles für ihr Leben und das Leben des Neugeborenen bedeuten wird.
Leben besteht nicht nur aus dem, was wir bewusst auf dem Schirm haben, berechnen, feststellen und beeinflussen können. Unser Leben ist auch eine Mutterschaft des Unbewussten: Das gilt für die Geschichte, die wir im Herzen bewahren, mit ihren dunklen und hellen Seiten, und ebenso für die ungewisse Zukunft. Es ist menschlich zu sagen: Ich will das jetzt aber genau wissen. Maria macht das anders: Sie erinnert, bewahrt, hält aus, lässt Worte und Ereignisse nachklingen.
Manchmal stelle ich mir tatsächlich vor, wie sie all die Worte, die sie hörte, hin und her wiegt wie ein Kind in den Armen. Noch ist die Bedeutung nicht klar: Gesalbter Gottes. Fürchtet euch nicht. Fürchte dich nicht. Friede auf Erden. Diese nackten Worte sind hilfsbedürftig wie ein Neugeborenes. Und doch können sie Lebensmut und Lebendigkeit in uns anrühren – wie dies der Anblick und das Wiegen von Babys es auch oft tut. Maria nimmt sich die Worte zu Herzen. Sie lässt Gefühle zu und zugleich speichert und merkt sie sich diese Worte mit Verstand und Vernunft.
Welche Worte tragen Sie mit sich?
Manchmal gibt es Worte, die pulsieren in unseren Adern, sie wiegen schwer und beschäftigen uns ein Leben lang. Oder es gibt Worte, die nehmen wir uns immer wieder zur Brust, weil wir durch sie Hoffnung bekommen, weil sie uns Zuversicht für die Zukunft geben.
Für die Hirtinnen und Hirten bedeuteten die Worte der Engel vom Gesalbten Gottes Ermutigung. Es waren Worte, die etwas in Bewegung gesetzt haben. Worte, die einen Aufbruch zustande gebracht haben. Worte, die in die Begegnung mit Maria, Josef und dem Neugeborenen geführt haben. Die Hirtinnen und Hirten haben ihre Erfahrungen, ihre Worte mit anderen geteilt und so konnten sie zurückkehren, Gott rühmen und loben für alles, was sie gehört und gesehen haben (vgl. Lk 2,20).
Ich wünsche Ihnen, dass Sie in der diesjährigen Adventszeit aufmerksam dafür sind, was sie verwundert, was ihnen Angst und Freude macht. Welche Worte und Ereignisse klingen in Ihnen nach? Teilen Sie sich untereinander mit! Gibt es ein Wort, ein Ereignis, das Sie ermutigt? Seien Sie als Frauen einer Gemeinde, als Freundinnen, als Nachbarinnen eine Maria. Erinnern Sie sich an Gehörtes, halten Sie aus und wiegen Sie gemeinsam das, was Sie zuversichtlich stimmt.
Katrin Meinhard
(in: Evangelische Frauen im Rheinland (Hrsg.), Worte finden. Andachten 2025. 24 Andachten durch das Kirchenjahr 2024/ 2025)
Meine Seele lobt die Lebendige,
ein Leben lang begleitet sie meine Wege,
auch wenn so manches Mal die Zukunft unsicher war.
Ich möchte ihren Worten vertrauen,
die aufrichten, wenn Sorgen uns ängstigen,
die ermutigen, Frieden zu suchen - immer wieder neu.
Ich werde die Worte bewahren und im Herzen bewegen,
die trösten, wenn Krankheit uns quält,
die unser Herz froh stimmen,
weil Gott uns zusagt,
die Niedrigen zu erhöhen und die Hungernden mit Gutem zu füllen.
Ehre sei Gott in den Höhen und Friede auf Erden bei den Menschen!
Amen
Mit dir, Maria, singen wir (Das Liederbuch. Lieder zwischen Himmel und Erde 392)
Mit den Hirten will ich gehen (EG 544)
Die Nacht ist vorgedrungen (EG 16,1.3.4)
Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht (EG 591)